Aus der Praxis
Immer wieder sind wir fasziniert von der Vielfältigkeit, die sich hinter einem so vermeintlich trockenen Thema „Archiv“ verbergen kann. Hier ein paar Punkte, die uns besonders faszinieren:
1. Archivdaten und -programme zeigen den Verlauf der IT/EDV Entwicklung
In Archiven lässt sich die Vielfältigkeit der Entwicklung von IT und Datenverarbeitung und zugehöriger Datenformate und Programme besonders schön ablesen. Von Daten, die mit IBM Großrechneranlagen erstellt und verarbeitet wurden, über teils von Archivaren selbst entwickelten Tabellen und Datenbanken/ Programme bis hin zu modernen (XML) Austauschformaten wie EAD oder METS – in unseren bisherigen Projekten konnten wir all diese Formate finden. Mal enorm technisch, mal als Textdokument, mal mehr oder wenig fachlich tief erfasst, mal vollständig und mal bruchstückhaft, auf Festplatten, USB Sticks und Magnetbändern. Immer wieder galt es bestehende Daten (wieder) nutzbar zu machen und mit neuen Daten zu verknüpfen. Die Daten sind wichtiger als (unsere) Programme und so gilt es, die Daten (weiter) nutzbar zu halten und gar erst wieder nutzbar zu machen.
2. Archivdaten „tragen“ die Geschichte
Ob kleines Archiv oder großes Bundesarchiv, ob Orden, Unternehmen oder öffentliche Hand – immer spiegelt sich in den Daten die Geschichte wider. Auch wenn es nur ein kleiner Ausschnitt ist und auch wenn wir selbst weder Historiker noch Archivare sind, so können wir immer einen kleinen Teil der Geschichte wahrnehmen, kennenlernen und durch unsere Programme neu nutzbar machen. Der gesamte Prozess ist nicht einem Unternehmens (Jahres-) Ziel untergeordnet sondern hilft den nächsten Generationen einen Teil der Geschichte zu erhalten.
3. Archive sind die Urväter der Datenverarbeitung
Findbücher sind älter als jede EDV. Es ist spannend zu beobachten, wie in Archiven das Findbuch entwickelt, organisiert und genutzt wurde, lange bevor es moderne Datenbanken, Suchmaschinen und Drucker gab. Die Betrachtungsweisen wurden durch den Einsatz moderner Technik zwar immer wieder ergänzt und sicher auch so manches Mal verdeckt, dennoch blieben sie im Kern unverändert. Das Findbuch als älteste Form der „Datenverarbeitung“ zu betrachten ist daher eine spannende Herausforderung.
4. Archive brauchen eigentlich gar keine Suchmaschinen – nutzen sie aber massiv
Eine Suchmaschine für ein Archiv zu entwickeln ist manchmal so wie einen Außenbordmotor an ein Segelschiff zu montieren. So richtig brauchen kann man die Suchmascheine (aus archivfachlicher Sicht) eigentlich nicht, aus rein technischer Sicht kommt man aber kaum noch daran vorbei. Irgendwann ist man dann vielleicht so daran gewöhnt, dass man ohne Motor eigentlich kaum noch fahren möchte. Gerade die Informationen, die nicht erfasst wurde, der Name, der nicht erwähnt ist, stellen oft die für den Archivar interessante Information dar – etwas, das eine Suchmaschine nur schwer finden kann – der Kontext wird wichtiger als der einzelne Treffer, die Auswahl wichtiger als die Masse. Intelligente Suchmaschinen, Facettierungen, hierarchische Suchen, Kontextdarstellungen und vieles mehr bilden die besondere Herausforderung in Projekten für Archive und liefern immer die Möglichkeit, sich mit neuen Themen und Techniken und immer wieder mit Altbewährtem zu beschäftigen.
5. Archive haben unglaubliche Datenmengen
Der Unterschied zwischen Daten und Informationen wird in Archiven immer dann schnell ersichtlich, wenn klar wird, wieviele Daten (digitalisiert oder nicht) in einem Archiv eigentlich zur Verfügung stehen und wie schwer es ist, daraus Informationen so zu gewinnen, dass sie effizient und einfach genutzt werden können. Hier softwareseitig die richtigen Wege und Strategien zu entwickeln, um aus weiteren Daten neue, brauchbare Informationen zu generieren und den Nutzern zur Verfügung zu stellen ist immer wieder eine willkommene Herausforderung.
6. Archive decken (heute) fast alle klassischen Bereiche der EDV ab
In modernen Archiven findet sich fast die gesamte Palette von klassischen EDV Themen. Angefangen von der Analyse bestehender Daten, über die Transformation zwischen EDV Formaten mit hohem Qualitätsanspruch, Umgang mit personenbezogenen Daten, Aufbereitung und Datenkonsistenzprüfungen, Normierungen, komplexe (rechtliche) Verarbeitungsvorgaben, teilvalide Daten in einer strukturierten Datenbank, Datenbank- und Netzwerkkommunikation bis hin zur optisch ansprechenden Präsentation in Online Portalen und dem (Findbuch-) Druck. Im Grunde werden alle Themen der klassischen EDV abgedeckt und massiv eingesetzt.
An dieser Stelle haben wir unser Team mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammengestellt und arbeiten interdisziplinär zusammen. So haben wir Suchmaschinenexperten, Datenbankexperten, Datenkonversions- und Präsentationsexperten, Test- und Integrationsexperten und Experten, die alle anderen Experten unter einen gemeinsamen Hut bringen können 😉
7. Archive haben (oft) nicht viel Geld
Was zunächst als Nachteil (aus betriebswirtschaftlicher Sicht) anmutet, stellt für uns eine besondere Herausforderung dar, die wir zwar nicht immer gerne aber bereitwillig annehmen. Hier nach dem Prinzip „Mit minimalen Mitteln das Maximale für den Kunden und das Projekt“ zu arbeiten, gibt unseren Projekten eine besondere Richtung. Hier ist das Engagement und die Zusammenarbeit jedes Kollegen gefragt, Kosten und Termine streng im Auge zu behalten und kreative (Mehrwert-) Lösungen zu erarbeiten.
8. Archive gibt es (fast) überall
Schon oft haben wir Archive an Stellen gefunden, wo wir sie nicht direkt vermutet haben. Ob es Daten eines Touristik Dienstleisters sind, die archiviert werden sollen, ob es das rudimentäre Archiv eines Kindergartens unserer Kinder ist, ob es unsere eigenen, abgeschlossenen und beendeten Projekte anbelangt, die wir „archivieren“ wollen. Sehr oft profitieren wir von den kontextbezogenen Denkweisen der Archive und lernen so immer mehr einen Bereich kennen, den man nicht umsonst studieren kann.